Beyond Eden 01. November 2013 - 28. Dezember 2013
Oda Jaunes künstlerisches Werk zeichnet sich durch eine enorme wie paradoxe Anziehungskraft aus. Eine Anziehungskraft die sich weniger durch die besondere Lautstärke der Form ergibt, denn durch eine sanfte Störung des Motivs. Es ist das Biomorphe, das Collagierte, das Abweichende welches mit erstaunlicher Leichtigkeit dafür sorgt, dass sich ihre Werke mit fortwährender Widerständigkeit der Erfassung durch den Betrachter entziehen und diesen damit an sie bindet. So heterogen die Themen der rund 40 Aquarelle und Malereien dieser Ausstellung – welche allesamt im kurzen Zeitraum von Dezember 2012 und Juni 2013 entstanden – auf den ersten Blick scheinen mögen, so konsequent folgen sie Oda Jaunes meisterhaft formulierter Strategie der An- und Entziehung.
Die faszinierende Ambivalenz, mit welcher sich Oda Jaunes Arbeiten gegenüber dem Betrachter positionieren, erschließt einen Bildraum, der sich durch ein bemerkenswertes Unruhepotenzial auszeichnet. Diese Unruhe ergibt sich zunächst durch eine Art Vorbehalt: Oda Jaunes Motive und Protagonisten entspringen zunächst wohl bekannten Bildwelten. Vielfach findet Jaune deren Vorlagen in jedermann zugänglichen Quellen. Das vermeintliche Versprechen einer Identifikation des Gesehenen wird jedoch nicht eingelöst. Die Vertrautheit des Motivs wird durch Umstülpungen, Deformationen, Elisionen, Maskierungen oder phallusartigen Auswüchse unmittelbar unterlaufen. Dieser Moment der Störung der Identifikation und Einordnung erwirkt beim Betrachter einen umso sensibleren Blick für das Gezeigte. Dieses sensibilisierten Blickes wiederum bedarf es zwingend zur Annäherung an das Problem der Darstellbarkeit des Unsichtbaren und Gestaltlosen.
In der Suche nach der Gestalt des Immateriellen liegt Oda Jaunes Arbeiten ein tiefgehendes Erkenntnisinteresses zugrunde. Um jene Zwischenräume zu eröffnen, welche das Unsichtbare sichtbar werden lassen, setzt Jaune ihre figürlichen oder szenischen Kompositionen einer Form der Verwandlung von durchaus experimentellem Charakter aus. Wenn sie sich malerisch mit deformierten Körpern und exponierten Organen auseinandersetzt, dann fragen ihre Darstellungen immer nach den tradierten Darstellungsmodi und Konnotationen des Gezeigten. So sehr sich diese Darstellungen durch ihre beinahe körperlich spürbare Drastik auszeichnen, wohnt ihnen zugleich etwas zutiefst Schönes und Sublimes inne. Dieses dialektische Moment greift in den Werken von Oda Jaune immer wieder. Es lässt Möglichkeitsräume entstehen, die dem Betrachter jenen Perspektivwechsel erlauben, der ihm die Hinterfragung und Variierung des gewohnten Sehens ermöglicht. Auch das von Jaune häufig verwendete Bild der Umstülpung des Innen und Außen kündet von diesem Raum. Sind beide Seiten zunächst klar definierte Kategorien, erlauben sie in der umgekehrten, alogischen Kontextualisierung den Blick in das Verborgene. Die vielfach aufgezeigten Verbindungslinien von Oda Jaunes Werk zur Formensprache des Surrealismus werden an diesem Punkt besonders evident. Es ist jenes Streben nach der Eröffnung neuer Seh- und Denkräume, welches ihren Ansatz mit dieser und weiteren Avantgardepositionen des 20. Jahrhunderts verbindet.
Oda Jaune sucht mit Ihrem künstlerischen Werk nach einer künstlerischen Form, welche sowohl als Sprache wie auch als Medium auf das Unsichtbare und Immaterielle verweist und Räume zu deren Diskussion anbietet. Motiviert von einem tiefen Interesse an der condicio humana binden Jaunes Arbeiten den Betrachter an sich. Sie fordern ihn auf zur individuellen und subjektiven Auseinandersetzung mit dem Bild und letztlich sich selbst.
Ansgar Lorenz